WPM Logo

Walser

Pistenraupen
Modellbau

EN

Ratrac - Geschichte

Den älteren Modellbauern ist Ratrac sicher noch ein Begriff, denn Ratrac war ein Pionier in der mechanischen Pistenpräparierung. Bis in die 1990er Jahre war Ratrac zudem DAS Synonym für eine Pistenraupe. Im Internet findet man leider wenig zur recht wechselhaften Firmengeschichte, sodass ich diese hier in einer Kurzfassung zusammenstelle. 

Thiokol und DMC/LMC


Die Geschichte von Ratrac ist eng mit den USA verknüpft und hat zwei ungewöhnliche Väter: Thiokol und John DeLorean.  


Thiokol war in der Rüstungs- und Raumfahrtindustrie tätig und ist heute Teil von Northrop Grumman. Sie produzierten zB die Boosterraketen für den Spaceshuttle, und erlangten damit traurige Bekanntheit beim Absturz der Challenger. Vor den 1970ern war Thiokol auch ein führender Hersteller in der Schiindustrie. Sie entwickelten und bauten Sessellifte und Geräte für die Pistenpflege. Als sie 1974 einen Auftrag von der NASA für die Boosterraketen erhielten, verkauften sie das Liftgeschäft 1978 an zwei ehemalige Mitarbeiter, welche die Firma CTEC gründeten. 


Thiokol fand mit John DeLorean, einem begeisterten Schifahrer, auch einen Käufer für die Pistengeräte. Ihn kennt man als Hersteller des exotischen DeLorean Flügeltür-Sportwagens DMC-12 (DeLorean Motor Company), der durch die Filme „Zurück in die Zukunft“ weltweit bekannt wurde. Aber noch vor dem DMC-12 produzierte er Pistenraupen unter dem Namen DMC (DeLorean Manufacturing Company). 1982 wurde dieser Bereich in Logan Manufacturing Company (LMC) umbenannt, nach dem Standort in Logan, Utah. John DeLorean kam zu dieser Zeit wegen einiger Delikte (Veruntreuung öffentlicher Gelder und Drogenhandel) mit dem Gesetz in Konflikt, und musste schließlich auch LMC verkaufen, um seine Gerichtskosten zu bezahlen. LMC wurde 1992 von einer New Yorker Investmentfirma gekauft, welche die bereits marode Firma endgültig zugrunde wirtschafteten, die aufkommende Konkurrenz von PistenBully und Bombardier tat ein Übriges. Der endgültige Konkurs von LMC kam 2000. 


Das Hauptmodell in den 1980ern, die LMC 3700C, war eine überarbeitete Version des Thiokol Hydromaster 3700, welches man sehr bald an der Spitze vieler Schigebiets-Flotten sah. Diese hatte eine eher traktorähnliche Einmann-Kabine mit langer Schnauze. Die Steuerung erfolgte mechanisch über Hebel, für das 12-Wege-Schild gab es einen „D-Griff“ mit etlichen Knöpfen. 

Eine spätere Version, die 3700CF hatte eine vorne montierte Fahrerkabine (CF steht für „Cab Forward“), wurde aber von allerlei Problemen geplagt und war deshalb bei den Fahrern nicht sehr beliebt. 

Der Nachfolger der 3700 war die LMC 4700, ebenso mit vorne montierter Kabine in „Entenoptik“ und einem 10-Wege Schild. Obwohl die 4700 wie eine Weiterentwicklung aussah, basierte sie sehr stark auf einem kurzlebigen Modell aus der DMC Zeit, der DMC 3900, von der nur eine Handvoll produziert wurden.  

1992 wurde die LMC 3700 CFS mit der modernen Kabine vorgestellt, in USA auch als Beartrac, und in Europa als Ratrac 265. Diese haben wir als Modell nachgebaut, mehr darüber hier. 

Bei den LMC Pistenraupen gab es ständig Änderungen, so unterscheiden sich Raupen auch oft innerhalb einer Typenreihe in technischen Details, Karosserieform und Farbe. 

Zeitzeugen berichten, dass John DeLorean nicht sonderlich bei LMC in Erscheinung trat, für ihn war die Firma hauptsächlich eine „Cash Cow“, und wohl auch um Geldwäsche zu betreiben. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass LMC (und damit Ratrac) die Marktführerschaft verloren hat. 


Was aber hat das alles mit Ratrac zu tun?


Ratrac wurde 1955 von Dr. Kurt Schleuniger gegründet, wobei Ratrac aus Raupen-Traktor abgeleitet ist. Dieser hatte auf einer Ski-Meisterschaft in Kanada gesehen, wie die Pisten mit Thiokol-Raupen bearbeitet wurden. Diese Fahrzeuge waren beim Militär als Truppentransporter im Einsatz gewesen. In den Alpen wurde zu der Zeit kaum präpariert, es gab nur ein paar Trecker-Umbauten und Prototypen. Das erste Fahrzeug mit Ratrac-Logo war ein Bombardier Muskeg-Tractor von 1961. Ratrac importierte mit großem Erfolg den Thiokol Sprite, der speziell für die Alpengegebenheiten zugeschnitten war, und verkaufte ihn als Ratrac S. Ab 1963 wurde diese auch bei Ratrac produziert, und Ratrac wurde klarer Marktführer, 1970 waren von zehn europäischen Raupen immer noch mehr als sechs Ratracs. Zu der Zeit (1964-1970) starteten fast alle europäischen Hersteller ihre Produktion, darunter auch viele kleine Firmen, die heute kaum noch jemand kennt. 


Es war aber nicht einfach nur ein Import der amerikanischen Raupen, sondern Dr. Schleuniger war bei Thiokol in der Entwicklung stark involviert. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Medium Schnee, und zusammen mit dem Bregenzer Schneeforscher Dr. Krasser verfasste er die erste Schneefibel. So ergab sich unter anderem auch die Form der Raupenstege, die dem Schnee seine richtige Konsistenz verleihen. Daraus entwickelten sich auch die Zusatzgeräte, die Ratrac zu einer Universalmaschine für jeden Schnee und jedes Gelände machten. 

Der Ratrac S verkaufte sich wirklich gut – der Name Ratrac wurde zum Pseudonym für Pistenraupen. Wie eingangs geschildert, verkaufte Thiokol die Wintersparten, und so wurden die Raupen auch von den Nachfolgern DMC und LMC bezogen. 


Auch die Firma Ratrac lief nicht immer gut, wahrscheinlich wegen dem Desinteresse bei LMC konnte Ratrac technisch mit den mittlerweile in Europa immer besser werdenden Raupen nicht mehr mithalten. Der ehemalige Rennfahrer Ernst Prinoth baute als erster Raupen ausschließlich zum Pistenwalzen, Leitner folgte diesem Weg, und Kässbohrer war der letzte im Bunde. Beim PistenBully setzte man mit Hydrostatik und dem ersten wintertauglichen Dieselmotor in einer Pistenraupe auf das richtige Pferd. Alle anderen zogen nach, auch beim Dieselmotor.


Anfang der 1970er wurde Ratrac von der Firma Rolba übernommen, die neben Pistenraupen auch Schneefräsen baute. Das hielt ein paar Jahre - neben den Rolba-Raupen (die Rolba TT260) wurden weiterhin die amerikanischen angeboten. Als Rolba an Züko fiel, trennte man sich aber von dem Bereich Pistenraupe. Mit angeblicher Hilfe von amerikanischen Geldgebern ging es weiter als IBK-Ratrac und schließlich als Ratrak (mit K). Aber auch das war nicht von Dauer, man musste Konkurs anmelden. Einer der Gründe war sicherlich der hohe Dollar-Kurs. Zudem bauten Kässbohrer, Leitner und Prinoth Raupen von besserer Qualität, da konnte man nur über einen günstigen Preis bestehen oder untergehen. Übrigens erlag Bombardier in Europa demselben Schicksal nur wenig später.

Als Ratrac bereits im Sterben lag, schwenkte man noch kurzfristig auf andere Raupen aus Finnland um, von der Firma Hydrolink OY (Formatic), die auch eine Firmenbeteiligung erhielt, aber da war es schon zu spät. Der Betrieb wurde an Weber verkauft, man erhielt dort noch die Ersatzteile für die alten Ratrac-Raupen, und er verkaufte auch weiterhin die Formatic Raupen. Mit der Übernahme von Formatic durch Kässbohrer fielen schließlich die Namensrechte für Ratrac an Kässbohrer.


Auf eine chronologische Auflistung der verschiedenen Ratrac Raupen verzichte ich hier, diese sind auf der Webseite von Jürgen Pellengahr mit viel Bildmaterial zu finden. 


Quellen


Vielen Dank vor allem an Jürgen Pellengahr für sein reichliches  Wissen und Textmaterial, sowie Henrik Volpert und Melvin Müller für die Beiträge. Einiges an Info zu Thiokol und LMC stammt aus verschiedenen Internetseiten. 


John DeLorean mit dem DMC-12 (Bild: Internet)

Ratrac 265 W mit einer später aufgebrachten Sonderlackierung

“Mr. Ratrac” Dr. Kurt Schleuniger

Cockpit einer Ratrac S

Ratrac SRC (diese stammt allerdings nicht aus USA, sondern vermutlich von Martimex im damaligen Jugoslawien). 

Ratrac SW 72 - B Diesel, im Hintergrund einige Ratrac S


Copyright © 2019 Walser Pistenraupenmodellbau 

Copyright © 2011-2024 Walser Pistenraupenmodellbau 

Diese Seite verwendet Cookies. Sie stimmen der Verwendung von Cookies durch Anklicken von “OK” zu. Nähere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
This page is using Cookies. You are permitting the use of cookies by clicking on “OK”. More information can be found at our Privacy Protection.

OK